Die Fahrt nach Penrith erfolgte auf schöner Route bei trocknem Wetter. Unterwegs schaue ich mir Carlisle an. In Penrith habe ich ein schönes Bed & Breakfast. Die Gastgeberin kommt meinem Wunsch nach Restaurantempfehlungen nach und ich lande bei einem Italiener. Wie schon beim letzten mal, als ich in einem Lokal mit Pizza im Angebot aß, waren auch hier junge Leute, so 18 bis 22 Jahre alt, an einem Nachbartisch.
Die Pizzaesstechnik von heute im Vereinigten Königreich geht so: Beide Ellbogen auf den Tisch abstützen, ein Pizzastück mit beiden Händen greifen (Dreifingertechnik, wie beim Burger), zum Mund führen und abbeißen. Dann die Pizza vom Mund wegführen und den Käse langziehen. Ab einer bestimmten individuellen Länge, Könner schaffen mindestens 30 cm, wird die Pizza nur noch mit einer Hand gehalten, mit der anderen wird versucht, die käsige Verbindung zwischen Pizza und Konsument zu trennen. Geht das schief, werden mit der freien Hand Käse- und Tomatenrückstände aus dem Gesicht entfernt.
Fasziniert beobachte ich diese Esstechnik und fühle mich alt.
Von Glasgow aus geht es nach Süden, genauer nach SSO. Die Route führt lange am Fluß Clyde entlang, der auch durch Glasgow fließt. Da gibt es immer wieder ganz idyllische Stellen. Das Idyll wäre ausgeprägter, wenn es nicht ein nasskalter Tag wäre. Die Sonne kommt so gut wie gar nicht raus, dafür gibt es viel Nieselregen. Nach dem Clyde führt die Route meistens über die B7078 eine Parallelstraße zur A74, die Autobahnmäßig ausgebaut ist. Der Vorteil dieser Wegführung ist, das man an einem trüben Tag relativ komfortabel die Kilometer abradeln kann. Es gibt kaum steile oder unübersichtliche Stellen.
Weites Land kurz vor Abington
Passend zur Wegführung verbringe ich die Nacht in einer Autobahnraststätte. Das Hotel ist überraschend komfortabel und hat ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch die Fish & Chips im Selbstbedienungsrestaurant sind gut und günstig.
Ab Abington folgt die Route weiter rund 75 Km der A74. Es ist trocken, ich habe Rückenwind und es geht überwiegend bergab. Der prognostizierte Sonnenschein stellt sich noch nicht ein. Also genieße ich es, wie die Kilometer anstrengungsarm abgespult werden. In Lockerbie mache ich auf Kaffee und Kuchen Halt. Das Just Be ist eine gute Wahl und Munter bi geht es weiter. Immer größer werden die blauen Stellen am Himmel. Just als die Route die Parallelstraße zur A74 verlässt, scheint so richtig die Sonne und es wird sofort wärmer. Über kleine Sträßchen radele ich nach Gretna.
Wieder schön
Gretna Green ist ein traditioneller Hochzeitsort. Das daran hängende Gretna ist auch vom Heiratsbusiness geprägt. Und weil man auf einem Fuß schlecht stehen kann, hat Gretna auch ein Outlet-Center. Das ist ein sinnvolle Erweiterung des Geschäfts, können hier doch letzte Hochzeitsgeschenke erworben, oder Geldgeschenke gleich ausgegeben werden.
Vorsichtig, wie ich bin, probiere ich das mit dem Heiraten nicht aus, besuche aber zu ersten Mal ein Outlet-Center.
Heute geht es nach Glasgow. Der erste Teil ist eine Fähre von Campbeltown nach Ardrossan. Gestern war ich kurz unruhig, weil die Fähre möglicherweise ausfällt. Abends um 09:40 lief die Fähre in Campbeltown ein und ich konnte ruhig schlafen. Leider nicht allzu lange, denn um sieben Uhr morgens bin ich an der Fähre.
Als Radfahrer solle ich mich zu den Motorradfahrern stellen. Zwei sind vor mir da, mit Steinfurter Kennzeichen. Mit einem freundlichen Moin begrüße ich sie.
Es sind Vater und Tochter auf Schottland und Irland-Tour. Mit den Beiden entwickelt sich ein schönes Gespräch über unsere Touren und Politik und überhaupt. Dann stellt sich auch noch heraus, das die beiden aus Tecklenburg, einem meiner Lieblingsziele aus seligen Rennradzeiten sind. Die Welt ist klein.
In Ardrossan angekommen, freue ich mich über das gute Wetter und nehme die Etappe zügig in Angriff.
Nach etwa 30 Kilometern Fahrt überholt mich ein Mann und spricht mich an. Dort hinten sei die Straße gesperrt. Ich habe aber Glück, das ich ihn träfe, denn er wisse eine Umgehung. Der Mann ist etwas ungepflegt, insbesondere die wenigen vorhandenen Zähne sind ausdrucksstark. Ich erwidere, das ich mir die Sperrung mal ansehen wolle, dann würde ich über einen Umweg entscheiden. Er bietet mir an, vorzufahren um schon mal zu schauen. Jetzt kommt mir die Sache seltsam vor. Ich sage, es sei nicht nötig. Er tritt in die Pedale, ich halte mit. Dann kommt ein Hinweisschild auf eine Baustelle mit Straßensperrung für Fahrzeuge. Ich müsse sofort umkehren und könne viel Zeit und Kraft sparen, empfiehlt mir der Mann. Ich erwidere noch mal, das ich mir das aus der Nähe ansehen wolle.
Die Straße ist für Autos gesperrt für Fußgänger und Radfahrer gitb es einen Pfad. Der Mann will nicht weiter mit und ich bedanke mich für seine Unterstützung.
Der Rest der Route verläuft ruhig. Es gibt noch ein kulinarisches Highlight, ein Stück Schokoladen-Rote-Beete-Kuchen im Pollok-House.
In Glasgow angekommen, merke ich sofort, diese Stadt ist jung, cool und quirlig. Warum bleibe ich nicht einen Tag länger? Hier nur eine Nacht zu bleiben, ist meine aktuelle Fehlentscheidung. Die Planung möchte ich nicht mehr ändern, also muss ich noch mal wieder kommen, wie nach Edingburgh.
Um von Tarbert nach Campbeltown zu fahren gibt es zwei Möglichkeiten, die ausgewiesene Radroute mit wenig Verkehr auf der Ostseite der Halbinsel, oder die verkehrsreiche Hauptstraße auf der Westseite. Die Radroute weißt gemäß Karte und Google-Maps auch erheblich mehr Anstiege auf.
Die Wettervorhersage prognostiziert nordwestliche Winde und einen Mix aus Sonne und Regenschauern. Ich entscheide mich für die Ostseite. Der Plan geht teilweise auf. Tatsächlich ist es in mancher windabgewandten Bucht beinahe windstill. Außerdem kann man an der Insel Arran sehen, wie sich dort auf der Ostseite die Wolken stauen.
Wolken bei Arran
Auf der anderen Seite staune ich nicht schlecht, als ich nach 30 Kilometern Wegstrecke bereits über 600 Höhenmeter eingesammelt habe. Höhenmeter, die es in sich haben, es ist immer wieder steil und zweimal muss ich schieben.
Das durchwachsene Wetter und die ruhige hügelige Landschaft sorgen immer wieder für tolle Aussichten und interessantes Licht.
Blick nach vorne
Es ist ein schöner Abschied aus Kintyre, mit 1150 Höhenmetern auf 61 Kilometern aber überraschend anspruchsvoll.
… sind es auf dem direkten Weg ungefähr 20 Km. Die Radroute macht einen großen Bogen auf die andere Seite der Halbinsel. 58 Km und 850 Höhenmeter lege ich zurück. Es sind 13 Grad, es ist windig, bewölkt und gelegentlich geht ein Schauer nieder. Die Sonnenminuten bewegen sich im niedrigen zweistelligen Bereich.
Nach einem Prolog von 5 Km gibt es einen langgezogenen Anstieg hinein in eine am Hügel festhängende Wolke. Auf der anderen Seite erschließen sich schöne Ausblicke auf Jura und Islay. Es gibt immer wieder scharfe kleine Anstiege, trotzdem ist mir kalt. Die Gegend ist einsam und rau und schön und bietet nur zwei Einkehrmöglichkeiten. Beide haben geschlossen.
Blick auf Islay und Jura
Meine Unterkunft hat einen elektrischen Heizkörper. Obwohl ich ihn voll aufdrehe bleibt mir kalt. Direkt unterhalb meiner Unterkunft ist laut Auskunft meines Wirtes das beste Fischrestaurant Tarberts. Die Rezensionen in Google sind gut, also stehe ich um 18:00 Uhr vor der Tür und ergattere einen Tisch.
Die Tomatensuppe ist gut. Dann kommen Langustinen, die sehr lecker sind. Höhepunkt ist der gebratene Loup de Mer mit jungen Kartoffeln und Gemüse in Anchovis-Zitronen-Butter. Exzellent! Zum ersten Mal habe ich in Tarbert warme Füße.
Generell sind Schottlands Küsten ein Paradies für Freunde von Fisch und Meeresfrüchten. Hier werden viele leckere Sachen aus dem Meer geholt und bei Wahl des richtigen Restaurants sachkundig zubereitet und vergleichsweise preiswert angeboten.
In Oban muss ich wieder rauf, wo ich mich am Nachmittag zuvor mit beschlagener Brille runter gestürzt habe. Es ist noch immer so steil, wie am Vortag.
Nach einigen Mühen erreiche ich eine Hochebene mit Moor und Schaafweiden. Wobei Ebene ist nicht das richtige Wort. Die Strecke ist voller kleiner und größerer Buckel. Es geht entweder steil rauf, oder steil runter und es geht nur selten geradeaus. Es gibt nur wenig Autoverkehr und so macht es Spaß hier rumzukurven, wenn es auch anstrengend ist. Das Wetter spielt auch mit, das heißt es ist 13 Grad, es regnet nicht und der Wind kommt schräg von hinten.
Buckellandschaft
Irgendwann geht es steil zum einem Loch herunter und wenig später ebenso steil wieder rauf. Und immer wieder gibt es Buckellandschaften. Selbstähnlichkeit: Große Buckel, mittlere und kleine Buckel und auf der kleinsten Ebene manchmal leider auch der Straßenbelag.
Blick auf Loch Awe
Die letzten Buckel sind eher groß. Es geht runter zu See und dann wieder steil rauf, bis auf 160 Meter. Hier bietet Schottland eine traumhafte Kulisse mit relativer Einsamkeit und wenig Autoverkehr. Nach 57 Kilometern und 1200 Höhenmetern ist der Spaß vorbei. Die letzten 27 Km sind relativ flach und das ist gut so.
Fáilte heißt im gälischen „Willkommen“. Fáilte heißt in Oban auch mein Bed & Breakfast. Triefend nass stehe ich vor der Tür. Mein Gastgeber sagt „Wir können auch deutsch sprechen“ und stellt sich als Thomas vor. Sorfort beginnt er meine Ankunft zu managen. Er bringt das Fahrrad in Sicherheit und zusätzliche Handtücher auf mein Zimmer auf die er die ebenfalls triefend nassen Radtaschen stellt. Dann dreht er die Heizung hoch und bietet mir nach dem Duschen einen Tee an.
Ich fühle mich gut aufgehoben. Der Tee kommt mit einem leckeren Stück selbstgemachten Bananenkuchen. Thomas gibt mir Tipps fürs Abendessen und für einen Stadtrundgang.
Drei Tipps für das Abendessen habe ich bekommen, einen probiere ich aus. Der Tipp ist gut. Interessante Biere, sehr gutes Essen und eine gute Atmosphäre. Herauszuheben sind die Jakobsmuscheln mit Blackpudding und Mash.
Das Frühstück im Fáilte ist ebenfalls großartig: Alles ist perfekt zubereitet und es gibt selbstgebackenes Brot, frisches Obst – einschließlich schottischer Erdbeeren – und das alles in einer sehr angenehmen Atmosphäre. Es ist ein Wohlfühlfrühstück, das mal wieder länger dauert, als geplant.
Beim Abschied erfahre ich, Thomas ist auch Radfahrer, er fährt Mountainbike und Rennrad. Wir reden noch ein wenig über mein Toutterrain und die Strecke. Im Fáilte habe ich mich wirklich willkommen gefühlt.
Die Wettervorhersage für diesen Tag ist schlecht. Schon bald nach Aufbruch beginnt es intensiv zu regnen. Meine Gedanken beginnen um Alternativen zum Radeln in Schottland zu kreisen. In denen kommen Strände und bunte Getränke mit Schirm vor. Ich nehme mir vor, den heutigen Blogeintrag danach zu benennen.
Nach einer Stunde hört der Regen auf, und eine ganze Weile geht es beinahe trocken weiter, dann regnet es wieder. Just gegen zwölf sehe ich an einer Marina eine überdachte Bank. Ich packe ein Getränk und Essen aus und setze mich. Neben der Bank ist eine Hütte, aus der Tür tritt ein Mann und fragt, ob ich einen heißen Kaffee möchte. Und ob. Er bringt mir den Kaffee und ich biete ihm von meinem Fertiggebäck an. Nach einer Weile kommen wir ins Gespräch. Wir reden übers Wetter, meine Radtour, den Brexit und Donald Trump. Später kommt ein Kollege angefahren, wohl die Ablösung für David, der die Aufgabe hat, Skipper zu ihren Schiffen zu fahren. Der Kollege spricht deutsch, er hat hat Verwandte in Landshut. Der Regen lässt nach und ich breche auf.
Die Route von Fort William nach Oban ist schön. Oft geht es direkt an der Küste entlang, zum teil offensichtlich auf alten Eisenbahnstrecken. Leider ist die Sicht schlecht und bei Regen von vorne kann ich die Strecke nicht so richtig genießen. Zwischendurch hört der Regen auf und so 10 km vor Oban denke ich, das ich da eigentlich ganz gut durch gekommen bin.
Pustekuchen, jetzt gehts bergan, der Regen wird heftig und peitsch regelrecht ins Gesicht. Es geht auf einem kleinen Sträßchen, das oft mehr einem Bach ähnelt durch eine Moorlandschaft, An- und Absteige sind steil und kraftraubend. Kalt ist mir nicht. Ich fange an zu dampfen und die Brille beschlägt immer wieder. Schließlich geht es in einer steilen Abfahrt runter nach Oban.
In Oban werde ich überaus freundlich begrüßt. Ab jetzt weiß ich endgültig, dass die Überschrift, die ich mir heute Morgen vorgenommen habe, Quatsch ist.
Die Gegend an den Great Glens ist toll. Viele Menschen möchten, so wie ich mal da gewesen sein. Das ist beim Preis-Leistungsverhältnis von touristischen Angeboten zu merken. Nicht nur, das Unterkünfte mit einem Vorlauf von 3 bis 5 Tagen schwer zu kriegen sind, sie sind im Vergleich zum bisher erlebten auch teuer.
Das Zimmer in Dores ist für 75 Pfund recht einfach und vor allem ist es kalt. Auch am nächsten Morgen im Frühstücksraum ist es kalt. Die Wirtin ist zuversichtlich, das ihre hartnäckige Erkältung bald überwunden ist.
In Fort Augustus im „Mooring“ werde ich abgefertigt, das es nur so quietscht. Die Unfreundlichkeit der Mitarbeiter fügen sich mit der Qualität und den überzogenen Preisen zu einem stimmigen Bild: Jeder Gast kommt genau einmal.
Die Unterkunft in Letterfinlay hat den versprochenen Seeblick und ist modern und schick eingerichtet. Leider verfügt das „Luxuszimmer“ über keinen Stuhl. Im Hotel nebenan erwirke ich mit einiger Überredungskunst einen Tisch zum Abendessen. Die Essensqualität ist sehr gut, der Service lausig.
Während ich das hier schreibe sitze ich hoch zufrieden in Fort William. Im einzigen Waschsalon weit und breit, war sofort eine Maschine frei und die freundlichen Mitarbeiterinnen beraten mich bei der Wahl der Programme.
Das Mittagessen (Fisch) im Crannog war exzellent und auch an meinem Hotel gibts nichts auszusetzen.
Von Dores geht es zunächst am Loch Ness entlang nach Foyers. Kurz vor Foyers beginnt der Anstieg. In Upper-Foyers wird es das erste mal richtig steil. Ein Jogger überholt mich breit grinsend, ich wünsche ihm einen schönen Tag.
Am Ende des Steilstücks wartet der Pfad zu den Foyers-Falls. Während ich da stehe und überlege, kommt ein Rennradfahrer auf mich zu. Ich solle das unbedingt machen, das sei eine echte Attraktion und das Bild von den Falls begleite einen am Berg. Ich folge seinem Rat und steige zu den Fall ab. Auf dem Weg klärt mich eine Schautafel darüber auf, das die Falls früher mächtiger waren, inzwischen aber viel Wasser zur Stromerzeugung abgezweigt wird.
Foyers Falls
Nach den Falls geht es auf schmalen Straßen durch dichten Wald aufwärts. Die Steigung ist meist gut fahrbar, zwischendrin kommen aber auch immer mal wieder steile Stücke. Irgendwann lichtet sich der Wald und Wiesen, Felder und Moor prägen das Bild. Ohne Wald macht sich der Gegenwind deutlich bemerkbar. Irgendwann ist keine Landwirtschaft mehr zu finden und in der Ferne ist der Parkplatz für den Aussichtspunkt auszumachen. Die letzten Meter zum Parkplatz sind noch mal richtig steil. Am Straßenrand stehen ein paar Teilnehmer einer Busreise und applaudieren. Mein kleines Alp du Huez.
Nun geht es noch mal 10 Minuten zu Fuß weiter. Die Belohnung ist eine grandiose Aussicht auf umliegenden Berge und Seen.
Blick vom Suidhe Viewpoint
Die Abfahrt nach Fort Williams ist rasant. Es gibt viele Warnschilder mit Hinweisen auf 12% Gefälle. Der Anstieg von Dores ist deutlich sanfter.
In Fort Augustus beeindruckt die Schleusenanlage mit der ein beträchtlicher Höhenunterschied überwunden wird. Ab der Schleusenanlage verläuft die Route absolut eben parallel zum Kanal. Schließlich geht es auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke am Loch Oich entlang.